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Neuer Anlauf für NPD-Verbot – Blockade gegen neues Verfahren aufgeben

Mittwoch, 02.09.2009

Bereits vor rund einem Jahr hat sich die Bürgerschaft basierend auf Anträgen der Fraktionen von SPD und Linken mit einem neuen Anlauf für ein NPD-Verbot befasst. Schwarz-Grün hat im Ergebnis entsprechende Vorstöße abgelehnt – auch die von den Sozialdemokraten in den Haushaltsberatungen 2009/2010 geforderte neue Offensive gegen Rechtsextremismus wurde abgelehnt – ohne Begründung und Ausschussberatung.

Das einzige, was der schwarz-grüne Senat in Sachen Rechtsextremismus-Bekämpfung im vergangenen Jahr zustande bekommen hat, ist die Verlagerung der Zuständigkeit für dieses Thema von der Sozial- in die Justizbehörde. Ansonsten wird weiterhin bei der Ausstattung des Hamburger Landesprogramms gegen Rechtsextremismus gegeizt, eine ganzheitliche Bekämpfungsstrategie, die politisch getragen wird, ist noch nicht erkennbar.

Dabei zeigt auch das Auftreten der Rechten im aktuellen Bundestagswahlkampf: Die Entwicklung des Rechtsextremismus auch in Hamburg zwingt alle Demokratinnen und Demokraten zu neuen Anstrengungen.

• Sog. Autonome Nationalisten nun auch in Hamburg: Der gewaltbereite Arm der Rechtsextremen, die sog. „autonomen Nationalisten“, hat sich nicht nur bundesweit, sondern auch in Hamburg formiert. Ihr brutales Auftreten am 1. Mai 2008 in Barmbek, das leider in Art und Umfang auch die Hamburger Sicherheitsbehörden überrascht hatte, ist allen noch in schrecklicher Erinnerung.

• Mehr rechte Gewalt: Neben der sichtbareren Präsenz – z.B. mit im Rahmen von Demonstrationen – nach der sog. „Wortergreifungsstrategie“ schrecken mittlerweile viele Rechtsextreme und NPD-Aktivisten auch vor aggressiver Gewaltausübung nicht zurück – z.B. im Rahmen von NPD-Infoständen. Das deckt sich mit den Statistiken: So hat sich die rechte Gewalt in Hamburg in 2008 verdoppelt. Die rechtsextremistischen Gewaltdelikte haben nach Senatsangaben von 22 im Jahre 2007 auf 45 im Jahre 2008 zugenommen. Auch insgesamt ist eine deutliche Zunahme rechtsextremistischer Straftaten festzustellen – um 11,1% in 2008 gegenüber dem Vorjahr. Auch wenn hier der Sonderfaktor der Mai-Demonstration mit den Gewalteskalationen in Barmbek 2008 zu berücksichtigen ist – die Gewaltbereitschaft am rechten Rand wächst.

• Dossier untermauert Verfassungsfeindlichkeit der NPD: Das im Mai 2009 vorgestellte Fünf-Länder-Dossier hat die Verfassungsfeindlichkeit der NPD eindrucksvoll untermauert. Auch aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern kamen in diesem Zusammenhang Signale, ein neues Verbotsverfahren vorzubereiten. Doch Hamburg hat sich der Materialsammlung verweigert und an der Erstellung des Dossiers nicht beteiligt. Klar ist: Die NPD sollte angesichts interner Auseinandersetzungen und Finanzprobleme nicht unterschätzt werden: Die Auseinandersetzungen der letzten Monate in der NPD sind kein Grund zur Entwarnung – denn die Partei war in ihrer Geschichte schon mehrfach in Existenznöten und hat – bedauerlicherweise - immer wieder zu ihrem Kampf gegen unsere Demokratie zurückgefunden.

Auch die Tatsache, dass mit dem unsäglichen Trio der Herren Rieger, Wulff und Worch Hamburger Köpfe die bundesweite rechte Szene, zwingt Hamburg zu einer besonderen Sensibilität gegenüber den Gefahren von Rechts. Wer NPD-Demonstrationen verhindern will, wer keine NPD-Infostände mehr im Straßenbild sehen will, wer den NPD-Aktivisten keinen Millimeter Raum mehr lassen will für ihre Agitation, der muss sie verbieten.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

„Der Senat wird aufgefordert,

1. seinen grundsätzlichen Widerstand gegen ein erneutes NPD-Verbotsverfahren aufzugeben und alle Anstrengungen zu unternehmen,

a. selbst für ein neues NPD-Verbotsverfahren Material aus öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen zu sammeln und auf Verbotsrelevanz zu prüfen,

b. und zu diesem Zweck außerdem alle zwischen Bund und Ländern laufenden bzw. nach der Bundestagswahl wieder aufzunehmenden Vorprüfungen nach besten Kräften unterstützen, in denen festzustellen ist, ob, wann und unter welchen Verfahrensbedingungen die Voraussetzungen für ein Verbot der NPD erfüllt sind, sowie, ob, wann und wie gemeinsam mit dem Bund und den anderen Bundesländern etwaige Hindernisse, die im Jahr 2003 zur Einstellung des damaligen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht führten, beseitigt werden können, ohne einen für eine wehrhafte Demokratie notwendigen Grad an Überwachung der NPD und ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch die Verfassungsschutzbehörden zu gefährden.

 

2. der Bürgerschaft bis zum 31.12.2009 zu berichten

a. über den Stand des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus und der damit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten sowie - unter Berücksichtigung der in Drs. 19/2399 unterbreiteten Empfehlungen – über Möglichkeiten der Weiterentwicklung und des Ausbaus des Landesprogramms,

b. über die Nutzung und Prüfung der Möglichkeiten der Finanzbehörden, die Gemeinnützigkeit rechter Vereine im Einzelfall abzuerkennen,

c. über den Stand und die Möglichkeiten der Verfolgung sog. Propagandadelikte nach §§ 86, 86a Strafgesetzbuch als Einstiegsstraftaten in den Rechtsextremismus,

d. über die Möglichkeiten der frühzeitigen stärkeren staatlichen Intervention, gegenüber Jugendlichen, die erstmals wegen einer rechtsextremistischen Straftat auffallen.“