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Senatsversprechen einhalten statt brechen – Polizei vor Ort stärken statt schwächen

Mittwoch, 02.09.2009

Die personelle Stärkung der Polizei in den vergangenen Jahren ist an den Dienststellen vor Ort praktisch vorbeigegangen. Dieser Oppositionskritik hat sich jüngst auch der Rechnungshof angeschlossen. Während die Zahl der Stellen für Vollzugspolizisten um den Polizeipräsidenten herum und insgesamt in der Zentrale in Alsterdorf enorm gestiegen ist, ist sie an den Polizeikommissariaten gesunken. Diese Reduzierung ist in den örtlichen Wachen in den letzten Jahren und Monaten zunehmend spürbar geworden. So haben die Polizeikommissariate allein in dem ersten Jahr nach Amtsantritt des Innensenators

Ahlhaus im Mai 2008 Polizisten im Umfang von 60 Vollzeitstellen – und damit in der Größenordnung eines halben Polizeikommissariats – verloren.

Und es geht weiter: Zum Ende des Jahres 2009 will der Senat bei der Polizei – neben den bereits in den vergangenen Jahren gestrichenen Stellen – weitere 151 Vollzugsstellen streichen. Damit wird der Schlusspunkt unter die Schließung von vier von 28 Polizeikommissariaten gesetzt. Bei der Ankündigung dieses Vorhabens im Jahr 2004 hat der damalige CDU-Senat versprochen, diese Einsparungen vor allem durch den Verzicht auf Leitungsstellen, in den „Stabs- und Intendanzbereichen und unter „Beibehaltung der Polizeipräsenz auf der Straße“ zu erbringen. Einen „Personalabbau auf der Straße“ werde es nicht geben, wurde den Bürgerinnen und Bürgern versprochen.

Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage Drs. 19/3104 zeigt, dass dieses Versprechen aller Voraussicht nach gebrochen wird. Würde der Senat tatsächlich beabsichtigen, Stellen auf Leitungsebene zu streichen, läge es nahe, überzählig gewordene Leitungspositionen frei zu halten, statt sie in anderen Abteilungen der Polizei weiterzunutzen. Die Analyse der Senatsantwort zeigt, dass das Gegenteil geschieht: Im Zuge der Schließung von vier der zuvor 28 Polizeikommissariate sind laut Senat insgesamt 82 Stellen entbehrlich geworden. Sämtliche hochrangigen Stellen (Besoldungsgruppen A 13 und A 14) wurden sofort nach Schließung der jeweiligen PKs in anderen Dienststellen weiter genutzt; auf der anderen Seite werden sehr viele der weniger gut besoldeten Stellen bewirtschaftet:

 

Besoldungsgruppe Entfallene Stellen derzeit unbesetzt Anteil

A 13 und A 14 11 Keine 0 Prozent

A 12 17 3 17,6 Prozent

A 7 bis A 11 54 26 48,1 Prozent

gesamt 82 29 35,4 Prozent

Weitere Anstrengungen, Einsparungen durch Verzicht auf Positionen in „Stäben und Intendanzbereichen“ zu erzielen, hat es bisher offenbar – entgegen der ausdrücklichen Ankündigung des Senats – überhaupt nicht gegeben.

Ein weiteres Versprechen hat der CDU-geführte Senat bereits gebrochen: Von einer „Beibehaltung der Polizeipräsenz auf der Straße“ kann keine Rede sein. So hat eine SPD-Anfrage ergeben, dass die Präsenzzeiten der Hamburger Polizei im ersten Halbjahr 2009 um neun Prozent zurückgegangen sind. Die sog. Personalstunden Präsenz, die als Indikator der sichtbaren Polizeipräsenz auf der Straße dienen, gingen von knapp 311.000 auf knapp 283.000 Stunden zurück. Man könnte über diese Entwicklung hinweg sehen, würde sie nur eine Momentaufnahme darstellen. Doch mit den jüngsten Zahlen setzte sich der traurige Trend der vergangenen Jahre fort: Hatte es in den Jahren 2005 und 2006 noch über 650.000 Präsenzstunden gegeben, waren es in den Jahren 2007 und 2008 jeweils weniger als 600.000 Stunden. Auch bei den so genannten Dienstgruppen Präsenz (DGP) wurden erste Einschnitte erkennbar. Nach Angaben der Polizeigewerkschaften – auf entsprechende parlamentarische Anfragen hatte der Senat Antworten verweigert – hatte zudem eine Grundlasterhebung ergeben, dass über 100 zusätzliche Beamte notwendig wären, um alle vakanten Stellen im Streifenwagendienst der Polizei zu besetzen. Parallel wird der Innensenator nicht müde, den Eindruck zu erwecken, die Polizei sei so gut ausgestattet wie noch nie. „Es gibt keine Erkenntnisse, dass die Personalsituation an den Polizeikommissariaten nicht bedarfsgerecht wäre und keine Hinweise auf das Erfordernis einer personellen Verstärkung“, teilte der Senat noch im Juli 2009 auf SPD-Anfrage mit. Mitte August – keine vier Wochen nach der ausweichenden Senatsantwort - hat der Innensenator die tatsächliche Lage offenbart und sich damit selbst ein Armutszeugnis ausgestellt müssen: Die Personalsituation an den Kommissariaten ist so brenzlig, dass nun die DGP, die Eingreiftruppen für Brennpunkte, aufgelöst werden sollen, um die Besetzung der Streifenwagen und die schnelle Abarbeitung der Notrufe sicherzustellen.

Das alte Motto für unsere Polizei „Weg vom Schreibtisch, raus auf die Straße“ wurde vom CDU-geführten Senat schlicht und ergreifend umgedreht. Auch der Rückzug der Polizei aus der Fläche wird ungeniert fortgesetzt: Auf SPD-Anfragen hat der Senat bereits mehrfach einräumen müssen, dass wiederholt Polizeiposten nicht besetzt werden konnten, weil die zuständigen Polizeibeamten an anderer Stelle Lücken schließen mussten oder im Krankheits- und Urlaubsfall kein Ersatz möglich war. Wie sich jetzt zeigt, waren die kurzfristigen Schließungen nur Vorboten für das endgültige Aus: Nach der bereits vollzogenen Auflösung von vier Polizeikommissariaten droht nun sieben Polizeiposten im Hamburger Osten die endgültige Schließung. Die Pensionierung einiger, bisher an Polizeiposten tätiger Beamter soll zum Anlass genommen werden, die Posten zu schließen. Betroffen von den neuen Streichungen sind die sieben Polizeiposten in Allermöhe, Ochsenwerder, Moorfleet, Curs¬lack-Neuengamme, Altengamme, Kirchwerder-Warwisch und Kirchwerder-Zollen¬spieker. Damit beweisen Polizei und Innenbehörde nicht nur wenig Phantasie bei der Bewältigung der Probleme, welche die Personalentwicklung bei der Polizei mit sich bringt – Innensenator und Polizeiführung zeigen ein weiteres Mal, wie wenig Bedeutung sie der Polizeiarbeit vor Ort im alltäglichen, direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern beimessen. Die beabsichtigte Schließung der Polizeiposten bedeutet einen weiteren Schritt weg von der bürgernahen Polizeiarbeit, einen Schlag für den Bezirk Bergedorf insgesamt und die Vier- und Marschlande im Besonderen.

Senat und CDU haben versprochen, nicht bürgernahe Polizisten einzusparen, sondern Chefpositionen zu streichen, nicht Polizei auf der Straße abzubauen, sondern Leitungsstäbe zu reduzieren. Nun hofft der Innensenator offenbar, vom Bruch seiner Versprechen und der personellen Engpässe bei der Polizei ablenken zu können und setzt auf sein neues „Steckenpferd“ – eine Reiterstaffel. Die berittene Polizei kann als Ergänzung der Einsatzkräfte hilfreich sein. In Zeiten, in denen es bei unserer Polizei aber an allen Ecken und Enden hakt (genannt sei hier auch die prekäre Personalsituation bei der Kriminalpolizei und bei der Wasserschutzpolizei), ist diese Einheit – die angesichts ihrer geplanten Größe ohnehin nur symbolpolitische Bedeutung hat - aber vor allem teuer und in der Prioritätensetzung fragwürdig. Da der Innensenator offenbar kein zusätzliches Geld für die Polizei einwerben konnte, müssen die Mittel für die teure Reiterstaffel aus dem bestehenden Budget herausgeschnitten werden – zulasten der Polizeiarbeit an anderen Schwerpunkten. Was für Innensenator Schill die Polizei-Harleys waren, scheint für Innensenator

Ahlhaus die Reiterstaffel zu sein. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich hier jemand schon während der laufenden Amtszeit ein Denkmal setzen will.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

„Der Senat wird ersucht,

1. dafür Sorge zu tragen, dass die Behörde für Inneres die Ankündigungen des Innensenators zu organisatorischen Veränderungen bei der Polizei vom 18. August 2009 zurückzieht und die Schlussfolgerungen aus der Organisations- und Strukturuntersuchung von Polizei und Innenbehörde, die Grundlage der Pläne war, insbesondere mit folgenden Maßgaben grundlegend überarbeitet:

a. Der weitere Abbau von Stellen bei den Vollzugsbeamtinnen und -beamten der Hamburger Polizei wird beendet, die aktuelle Stellenzahl wird mit dem Ziel der Stärkung der polizeilichen Präsenz in der Fläche insgesamt und in Brennpunktbereichen im Besonderen beibehalten. Grundlage einer Überarbeitung muss außerdem der Erhalt sämtlicher Polizeiposten sein.

b. Zur Deckung ist eine intensive Aufgabenkritik insbesondere in den zentralen Organisationseinheiten der Polizei vorzunehmen und eine entsprechende Verlagerung von Stellen aus Stabs- und Intendanzbereichen in den Vollzugsbereich vorzubereiten.

2. der Bürgerschaft bis zur Plenarsitzung am 9./10. Dezember 2009 über die Ergebnisse der Untersuchungen zur personellen Situation bei der Polizei Bericht zu erstatten und darzustellen, welche Konsequenzen – nach einer grundlegenden Überarbeitung der bisherigen Pläne – durch die Verlagerung von Personal oder andere Maßnahmen gezogen werden.“