Zum Hauptinhalt springen

Sie gehören zu uns - Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes

Dienstag, 14.07.2009

Die Hamburgische Bürgerschaft hat sich in der laufenden Wahlperiode bereits mit mehreren Initiativen im bürgerrechtlichen bzw. ausländerrechtlichen Bereich befasst. Leider wurden sozialdemokratische Initiativen

• für die Implementierung verfassungsrechtlich garantierter Kinderrechte und die volle Gültigkeit der UN-Kinderrechtskonvention (Drs. 19/1469),

• für die Teilhabe von Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund durch ein kommunales Wahlrecht (Drs. 19/1639),

• für eine Absenkung des Wahlalters für die Wahl zu den Bezirksversammlungen in Hamburg auf 16 Jahre (Drs. 19/2914),

• für eine kurzfristige Sicherstellung einer Bleiberechtsperspektive für bisher geduldete Ausländer (Drs. 19/3087)

entweder mit fadenscheinigen Gründen oder ohne Debatte abgelehnt. Nunmehr zeichnet sich ein weiterer ausländerrechtlicher Streitpunkt ab, bei dem der schwarz-grüne Senat die Gelegenheit hat, auf Bundesebene für eine dem Hamburger Anspruch gerecht werdende tolerante und weltoffene sowie integrationspolitisch sinnvolle Lösung einzutreten.

So steht den bisher enttäuschenden Einbürgerungszahlen in Hamburg gegenüber, dass sich in den nächsten Jahren verschärft die negativen Folgen der von der CDU/CSU gegen SPD und Grüne erzwungenen Kompromisse beim Staatsangehörigkeitsrecht auch in Hamburg zeigen werden – dem sog. Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter die ehemaligen Integrations- und Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, die ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Rita Süssmuth, der Bundesminister a.D. Hans-Jochen Vogel sowie Repräsentanten von Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und der Evangelischen und Katholischen Kirche in Deutschland fordern die sofortige Abschaffung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht. Sie alle haben den Aufruf „Sie gehören zu uns! – Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes“ unterzeichnet.

Konkreter Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Über § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) erwirbt ein in Deutschland geborenes Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat (Geburtsortsrecht). Unter denselben Voraussetzungen bestand nach der Übergangsregelung in § 40b StAG für ausländische Kinder, die am 1. Januar 2000 rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, ein Einbürgerungsanspruch, der bis zum 31. Dezember 2000 geltend gemacht werden musste. Der automatische Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. die besondere Form der Einbürgerung sind verbunden mit der Verpflichtung nach § 29 StAG, sich nach Vollendung der Volljährigkeit zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden.

Nach der Einführung des genannten Geburtsortsrechtes kommen seither jährlich über 40.000 Kinder ausländischer Eltern als Deutsche in Deutschland zur Welt. Aufgrund der

Übergangsregelung, nach der auch damals unter 10-jährige Kinder von der Regelung des Geburtsortsrechtes rückwirkend Gebrauch machen konnten, kommt der Optionszwang nunmehr zur Anwendung, da die ersten dieser Kinder nun volljährig sind. Im Jahr 2008 betraf dieses bundesweit 3.316 junge Menschen. In den Folgejahren bis 2017 werden jährlich weitere 3.800 bis fast 7.000 zusätzliche Personen dazu kommen. Ab 2018 wird die Welle der Betroffenen auf ca. 40.000 jährlich anschwellen. In Hamburg müssen sich bis 2018 insgesamt 1.362 Menschen mit Eintritt der Volljährigkeit entscheiden; ab 2018 sind aktuell 10.833 Kinder erfasst, für die der Optionszwang gilt. Damit sind aktuell 12.195 Menschen von dieser integrationsfeindlichen Regelung in Hamburg betroffen.

Die Optionspflicht und die daraus folgenden komplizierten Regelungen waren schon bei ihrer Einführung rechtlich und rechtspolitisch umstritten. Am 10. Dezember 2007 waren sie Gegenstand einer Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages (Protokoll Nr. 16/54). Mehrheitlich waren die dort angehörten Sachverständigen der Auffassung, dass die gefundene Regelung unzweckmäßig und aus integrationspolitischer Sicht eher schädlich sei.

Die ganz überwiegende Zahl der Optionspflichtigen ist in Deutschland verwurzelt und wird dauerhaft Teil der deutschen Gesellschaft bleiben. Es ist daher integrationspolitisch nicht sinnvoll, den Fortbestand ihrer deutschen Staatsangehörigkeit in Frage zu stellen. Der Entscheidungszwang wird der Lebenssituation der mit mehreren Staatsangehörigkeiten aufgewachsenen jungen Erwachsenen nicht gerecht und kann zu schwerwiegenden Konflikten innerhalb der betroffenen Migrantenfamilien führen. Die Durchführung des Optionsverfahrens ist mit praktischen Schwierigkeiten verbunden und verursacht einen erheblichen Verwaltungsaufwand sowie Rechtsunsicherheiten. Der Nutzen, den die Optionsregelung im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung von Mehrstaatigkeit hat, steht zu diesen Nachteilen in keinem Verhältnis. Hamburg sollte als weltoffene und liberale Metropole initiativ werden, um diesen unsinnigen und integrationspolitisch fatalen Kompromiss zu verändern.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

„Der Senat wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Aufhebung der in § 29 StAG geregelten Optionspflicht einzusetzen. Damit hätten alle in Deutschland geborenen bzw. eingebürgerten Kinder, die unter § 4 Abs. 3 bzw. § 40b StAG fallen, auf Dauer die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit neben ihren ausländischen Staatsangehörigkeiten beizubehalten.“