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Unsere Anträge

Durch Anträge können Abgeordnete Einfluss auf die Politik nehmen. Anträge können mindestens fünf Abgeordnete einbringen. Sie werden auf die Tagesordnung der nächsten Bürgerschaftssitzung gesetzt. Die Bürgerschaft kann sie annehmen, ablehnen, für erledigt erklären oder an einen Ausschuss überweisen. Mit Anträgen können Aufträge und Ersuche zur Regelung verschiedener Angelegenheiten an den Senat gerichtet werden.

Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzeptes 2025 und Erarbeitung einer Hamburger Ernährungsstrategie

Mittwoch, 15.05.2024

Mit dem Agrarpolitischen Konzept 2025 hat der Senat 2019 ein (fortgeschriebenes) Konzept zur Entwicklung der hamburgischen Agrarwirtschaft beschlossen, das sich aktuell in der Umsetzung befindet. Grundlegende Veränderungsprozesse und Entwicklungstendenzen auf globaler Ebene führen zu einer fundamentalen Veränderung der Rahmenbedingungen auch auf nationaler Ebene und in Hamburg. Sie erfordern daher u. a. eine Überprüfung, strategische Erweiterung und Neuausrichtung des Agrarpolitischen Konzeptes.

Zunehmende Krisensituationen durch Klimawandel, Biodiversitätsverluste und Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine verweisen auf die Notwendigkeit, resilientere Agrar- und Ernährungssysteme aufzubauen. Die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme in Richtung Klimaneutralität und ökologischer Nachhaltigkeit bei Aufrechterhaltung der Ernährungssicherheit wird zu einer mittelfristigen (bis Mitte des Jahrhunderts) dominierenden strategischen Aufgabe.

Dabei besteht die Notwendigkeit sowohl zu einer nachhaltigen und naturverträglicheren Agrarproduktion als auch zu einer stärker integrierten Agrar- und Ernährungspolitik (Agrar- und Ernährungswende), die integrierte Umsetzungskonzepte umfasst.

Auf EU- und Bundesebene liegen strategische Ansätze und konzeptionelle Vorschläge zur Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme vor bzw. befinden sich in der Entwicklung. Dazu gehören z. B. Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (2021), die Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung im Wandel (2024), Transformationsstrategien auf EU-Ebene im Rahmen des EU Green Deals, Strategien auf Bundesebene wie die Biostrategie 2030, die Ernährungsstrategie „Gutes Essen für Deutschland“ und die in Arbeit befindliche Zukunftsstrategie Gartenbau. Auch transformationsorientierte wissenschaftliche Ansätze und Vorschläge zählen dazu, wie Zielbilder der Deutschen Agrarforschungsallianz oder Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz zur integrierten Ernährungs- und Agrarpolitik und zur Nutztierhaltung.

Die vielfältigen Anforderungen des Agrar- und Ernährungssektors erfordern eine multisektorale Zusammenarbeit. Im Bereich der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung (AHV) erfolgt eine übergeordnete, kontinuierliche Abstimmung bereits seit 2018 in der AG Bio-Stadt Hamburg, in der Vertreter*innen verschiedener Hamburger Behörden Belange der öffentlichen AHV gemeinsam koordinieren. Zukunftsweisende Strategien wie die Förderung des ökologischen Landbaus sowie die regionale Absatzförderung agrarischer Produkte bilden dabei eine weitere wichtige Grundlage für die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme. Die bereits erfolgreich umgesetzten Maßnahmen der Schulbehörde zur Qualitätssicherung der Schulverpflegung, wie beispielsweise der seit 2017 eingeführte Qualitätszirkel, sowie die verpflichtende Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und die Bereitstellung sog. Freeflow-Systeme in den Schulen sind wichtige Bausteine für eine Hamburger Ernährungsstrategie und sollen verstetigt werden.

Die Ernährungswirtschaft ist überdies ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Hamburg, sowohl als Absatzmarkt landwirtschaftlicher Produkte als auch für die Lebensmittelbranche. So zielt das in Gründung befindliche Hamburger Food Cluster auf die Unterstützung der Handlungs- und Themenfelder der Ernährungsbranche, um auch unter Berücksichtigung von regionalen Produkten der großen Klimarelevanz des Ernährungssektors gerecht zu werden (vgl. Drs. 22/6267).

Ebenfalls sollen bei der Erarbeitung der Ernährungsstrategie die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Forderungen für eine Ernährungswende in öffentlich finanzierten Einrichtungen einbezogen und in einem breiten Prozess beteiligt werden.

Für die Hamburger Agrarwirtschaft ist es erforderlich, die entsprechenden strategischen Ansätze und Empfehlungen mit dem derzeitigen agrarpolitischen Konzept des Senats abzugleichen, geeignete Ansätze aufzugreifen und Hamburgs Agrarstrategie entsprechend weiterzuentwickeln. Der Fokus der regionalen Erzeugung von Frischprodukten zu fairen Marktpreisen ist dabei perspektivisch auf den Raum der Metropolregion zu erweitern. Da in der Agrarwirtschaft eine große Kraft für die klimanotwendige Transformation steckt, muss sie dafür Wertschätzung für unsere Ernährung, unser Essen auf dem Tisch, also Gemüse, Fleisch, Obst und Käse, sowie für Blumen und vielfältige Landschaftspflege erfahren.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. den aktuellen Stand der Umsetzung des Agrarpolitischen Konzeptes 2025 darzustellen;

2. bei der Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzepts den strategischen Ansatz

a) neu und konsequent auf eine Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme in Richtung Klimaneutralität, Regionalität, Erhalt der Biodiversität und Nachhaltigkeit in einer Zeitperspektive bis 2045 auszurichten;

b) mit konkreten, kurzfristig zu realisierenden Projekten immer wieder erlebbar und praxisnah zu unterstützen und weiterzuentwickeln;

c) mit dem Fokus, Hamburg zu einer „Modellregion für die Transformation der urbanen Agrarwirtschaft“ zu entwickeln, die eine Vorbildfunktion für andere Ballungsräume mit urbaner Agrarwirtschaft übernehmen kann;

d) unter Berücksichtigung der besonderen Rolle des urbanen Gartenbaus mit seinen vier Sparten Gemüsebau, Zierpflanzenbau, Obstbau und Baumschulwirtschaft auf folgende Ziele zu konzentrieren:

i) die ökonomische Absicherung der Agrarwirtschaft in Hamburg;

ii) die Gewährleistung ausreichend wirtschaftlich nutzbarer Flächen auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg, um langfristig Gartenbau zu ermöglichen und dafür den aktuell existierenden Flächenumfang nicht zu unterschreiten;

iii) die Ökologisierung der Agrarwirtschaft;

iv) die Entwicklung einer robusteren, klimagerechten und zugleich sozial ausgerichteten Agrarwirtschaft;

v) die Unterstützung einer Neuorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, wonach öffentliche Leistungen der Agrarwirtschaft für das Gemeinwohl mit Prämien honoriert werden sollen;

vi) die Aufrechterhaltung einer flächengebundenen, gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung;

vii) die Schaffung von Synergieeffekten zwischen Agrarproduktion und Naturschutz, z. B. im Bereich der Landschaftspflege;

e) mit verstärktem Aufbau und Förderung regionaler und resilienter Wertschöpfungsketten unter Einbindung bestehender Prozesse wie z. B. Biostadt Hamburg und Food Cluster zu unterstützen;

f) auf die Absicherung der Weiterentwicklung der Biostadt Hamburg zu lenken, die regionale Bioquote im Anbau zu erhöhen und zugleich die nachhaltigen Entwicklungsmöglichkeiten konventioneller Agrarwirtschaft zu unterstützen;

g) zur Verbesserung des Stadt-Land-Bezugs zu nutzen und dabei die Metropole Hamburg mit Agrar- und Lebensmitteln, insbesondere bei Frischprodukten, stärker in den Blick zu nehmen;

h) mit der Schaffung von Zukunftsperspektiven für junge Unternehmer*innen und die Ausschöpfung der Potenziale der Digitalisierung zu verknüpfen;

3. Eckpunkte für eine Hamburger Ernährungsstrategie noch in dieser Legislaturperiode zu erarbeiten, auf deren Grundlage perspektivisch eine umfassende behördenübergreifende Ernährungsstrategie für Hamburg zu entwickeln sein wird, gestützt auf die Ernährungsstrategie des Bundes und unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung, die u. a. folgende Maßgaben abbilden soll:

a) Entwicklung eines klaren Zielbildes, unter Berücksichtigung sozioökonomischer und kultureller Unterschiede in der Bevölkerung, wodurch eine Ernährung mit ökologischen und möglichst regionalen Lebensmitteln, auch vor dem Hintergrund des präventiven Gesundheitsschutzes und dem Erhalt planetarer Grenzen, forciert wird;

b) Verankerung des Stellenwertes gesunder und nachhaltiger Ernährung in der Zivilgesellschaft durch eine breite Prozessbeteiligung der Interessensgruppen, z. B. auch durch Unterstützung beim Aufbau eines Hamburger Ernährungsrates;

c) Ausschöpfung der Möglichkeiten der öffentlichen Hand, auf dem Feld der gesunden und nachhaltigen Ernährung im Rahmen ihrer gesamtstädtischen Verantwortung eine Vorreiterrolle einzunehmen;

d) Einrichtung eines Netzwerks- und Beratungsangebots zur nachhaltigen Transformation der Gemeinschaftsverpflegung als Leuchtturmprojekt der Hamburger Ernährungswende analog einem Kopenhagener „House of Food“ oder der Berliner "Kantine Zukunft";

e) Darauf aufbauend ein zielgerichteter Ausbau der Gemeinschafts- und Schulverpflegung mit Bio- und regionalen Produkten in möglichst vielen Kantinen;

f) Unterstützung einer pflanzenbetonten Ernährung;

g) Beförderung einer nachhaltigen und regionalen Lebensmittelerzeugung und -versorgung;

h) Eine multisektorale Herangehensweise, die die Themenbereiche Gesundheit, Klima- und Naturschutz, Bildung, Soziales, Nahrungsmittelerzeugung, Ernährung und regionale Absatzförderung agrarischer Produkte umfassend berücksichtigt und das öffentliches Bewusstsein und Bildungsstände über die Mehrwerte regionaler Ernährung weiter ausbaut;

i) niedrigschwellige Beratungsleistungen aus den bestehenden Mitteln der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft zur Nutzung der vielfältigen Bundesförderungsinstrumente bereitzustellen, die für eine Ernährungswende zur Verfügung stehen.

4. die Kosten für die Erarbeitung der Ernährungsstrategie sowie für die Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzepts im Rahmen der in den Einzelplänen vorhandenen Ermächtigungen zu tragen.

5. Einen Zwischenbericht bis zum 30.09.2024 vorzulegen und danach regelmäßig zu berichten und in Zuge dessen Finanzierungsbedarfe darzulegen.

 

sowie
  • Andrea Nunne
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Sonja Lattwesen
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Johannes Alexander Müller
  • Lisa Maria Otte
  • Ulrike Sparr
  • Charlotte Stoffel (GRÜNE) und Fraktion